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Christian Kravagna

 

Das Ende der Ausstellung fällt mit dem Beginn des Krieges zusammen. Der 11-tägige countdown vom Ausstellungs- bis zum Kriegsbeginn läuft zwar mit geraumer (einjähriger) Verspätung, entspricht in der Genauigkeit des Timings allerdings dem kriegsentscheidenden Präzisionswunder, ebenso wie sich die Logik der Verspätung mit der Überschreitung des Ultimatums trifft. Das Zusammentreffen des 17. Jänner, die punktuelle Berührung des künstlerischen Rückzugs mit dem militärischen Angriff, entläßt gleichlautende Daten mit unterschiedlicher Konnotation in die Geschichte. Dort allerdings stellt erst das Auftreten eines dritten gleichnamigen Datums die tatsächliche Vergleichbarkeit her.  Die weitere beträchtliche Verspätung ist insofern notwendig, als durch die Wiederholung der Ereignisse – die erneuten militärischen Aktionen in eben jenen Tagen des darauffolgenden Jahres – das künstlerische Datum in die Mitte rückt. 

Genau dorthin, in die Mitte, gehört es auch. Denn daran, daß die künstlerische Stellungnahme letztlich nicht vorrangig auf (politisch-militärische) Wirklichkeit verweist, sondern vielmehr von dieser gerahmt wird, noch dazu in schönster Symmetrie, zeigt sich die Übereinstimmung der künstlerischen mit der machtpolitischen Logik. Beider Taktik bezieht ihre Stärke aus der Magie des Datums. Die künstlerische wie die militärische Referenz, die dem einmal Geschehenen zum Jahrestag erwiesen wird, vertraut auf die Macht des Erinnerten, sei es in der Absicht des Denk-Mals oder des Denk-Zettels. Der strategische Künstler weiß wie der Politiker und Feldherr genau, wann und wo er seine Aktionen zu setzen hat, um größtmögliche Performanz zu erzielen.

Läßt sich die künstlerische wie die militärische Aktion hinsichtlich ihrer Effektivität in eine – wiewohl nicht voneinander zu trennende – inhaltliche und rhetorische Seite aufsplitten, so muß die Intervention auf beiden Ebenen gleichermaßen ihre Schlagkraft unter Beweis stellen. Das rahmende setting, die entsprechende Versprach- und Verbildlichung des harten Kerns der Operation, ist dabei ebenso erfolgsbestimmend wie dieser selbst. Entscheidend ist nicht nur, daß die Botschaft ankommt, sondern welches Maß an Gehör sie sich zu verschaffen weiß. Die Gewalt über, bzw. der Zugang zu den informationsverbreitenden Kanälen, mithin zur Substitution der Fakten durch deren Interpretation, potenziert die Erfolgschancen nicht zuletzt aufgrund der vom Bericht geleisteten Historisierung. Die Verspätung – wie groß oder klein sie sein mag – schafft erst das Faktum und seine richtige Sicht. 

Umgekehrt – das ist die andere Seite der Logik der Verspätung – bringt die Ankündigung die Notwendigkeit ihrer Einlösung mit sich. Das Ultimatum, letzter Punkt, den es zu überschreiten, und erster, ab dem es zu handeln gilt, gleichermaßen Zwang für beide Parteien, bereitet den Boden für den legitimen Überraschungseffekt. Trotzdem bleibt die Frage nach der entscheidenden Zäsur in der Chronik der Ereignisse. Steht zwischen Prolog und Drama das vorab gesetzte Datum oder jenes, ab dem sich tatsächlich das Verhalten ändert?  

Darin unterscheidet sich ja das Kriegs- vom Kunst-Ultimatum. Wo das eine verspätet Taten zeitigt, beendet das andere pünktlich die Handlung. Aber warum zieht die Kunst sich zurück, wenn es eigentlich erst losgeht? Weil sie schweigen muß, worüber sie nicht redden kann, oder aus ähnlich ehrenwerten Motiven? Oder doch aus schlichter Einsicht in die Marginalität ihrer Stimme? Nein, der geordnete Rückzug folgt der Strategie des beredten Schweigens. Nicht aus Zweifel an ihrer Sagkraft verstummt die Rede, sondern aus dem Wissen um die weit größere Macht dessen, wovon sie zu sprechen hätte. Im gezielten Einsatz jener Bilder, die beim abrupten Abbruch der Rede sich selbst zur Sprache bringen, überläßt der ästhetische Prolog dem martialischen Stück die Bühne. Einem Stück, das den Erfolg garantiert, was seine Wiederaufnahme beweist.

Prolog auf symbolischer, Intermezzo auf geschichtlicher Ebene, zieht die künstlerische Aktion Gewinn aus dem Lauf der Ereignisse, in die sie gleichzeitig eingespannt bleibt. Die Adaption entsprechender Strategien läßt immerhin dem einschließenden Rahmen, aus dem es kein Ausbrechen gibt, ein beschränktes Aktionsfeld einschreiben.